Sechs sakrale Superlative – Kirchen in Düsseldorf

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Vom Kuppelbau aus Kupferplatten bis zur romanischen Pfeilbasilika

Kirchen in Düsseldorf halten einige architektonische Überraschungen parat. Aber eines vorneweg: mit unserer geliebten Nachbarstadt Köln können wir hinsichtlich sakraler Superlative nicht mithalten. Der Kölner Dom ist in dieser Disziplin nicht zu schlagen. Doch auch in Düsseldorf gibt es Gotteshäuser, die bereits vor der Stadtgründung errichtet wurden und auf verschiedenste Weise Maßstäbe setzen – sei es mit ihrer avantgardistischen Architektur, ihren teils überraschend „profanen“ Details oder ihrer Zeitzeugenschaft, was die ältere und auch jüngere Historie der Landeshauptstadt betrifft. Was ihr vielleicht noch nicht wusstet: Auch abseits von Altstadt und Innenstadt gibt es vielerlei Grund für ein lautes Halleluja.      

St. Rochus

Mit dem „Kolbe-Kreuz“ des Düsseldorfer Künstlers Bert Gerresheim an der Turmfassade richtet sich die Rochuskirche in Düsseldorf-Pempelfort gegen das Vergessen der NS-Verbrechen. Zugleich ist sie ein avantgardistisches Zeugnis sakraler Nachkriegsarchitektur.  Zunächst richtet sich die Aufmerksamkeit an der Ecke Prinz-Georg- und Bagelstraße unweigerlich auf Gerresheims überlebensgroße Christusfigur, die mehr ist als das: Auf dem linken Unterarm des Gekreuzigten ist die KZ-Nummer des Franziskaner-Paters und Publizisten Maximilian Kolbe verzeichnet. Der Turm, der das Kreuz trägt, ist das letzte Überbleibsel der prächtigen neuromanischen Kirche, die hier einst stand und die im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde. In seinem Schatten dann die Überraschung: ein aus drei dünnen Parabolschalen gebildeter, mit Kupferplatten verkleideter Kuppelkirchbau von 1955, ausgeführt nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Paul Schneider-Esleben. Wie ein Ei ragt er in die Höhe, und der Volksmund hatte schnell den passenden Namen parat: „Halleluja-Gasometer“. Im Innern schwebt zwischen zwölf kuppeltragenden Rundpfeilern aus Stahlbeton der „Triumphierende Christus“ des Beuys-Lehrers Ewald Mataré.

Kirchen in Düsseldorf: Die Rochuskirche im Vordergrund der Kuppelbau, im Hintergrund der alte Kirchturm.
St. Rochus: Im Vordergrund ist der Kuppelbau entworfen von Paul Schneider-Esleben zu sehen.
(Foto: Katholische Kirchengemeinde Heilige Dreifaltigkeit.)

Koptische Bunkerkirche St. Maria

Ein buchstäblicher unerschütterlicher Superlativ. Die koptische Kirche St. Maria, ehemals St. Sakrament, im Stadtteil Heerdt gilt als die wohl stabilste Kirche der Welt. Warum? Das Grundstück war ursprünglich Kirchenland, wurde jedoch von den Nationalsozialisten enteignet und mit einem Luftschutzbunker bebaut. Zur Tarnung erhielt dieser die Form einer Kirche. Schon kurz nach Kriegsende verband der katholische Priester Carl Klinkhammer dann das Praktische mit dem Naheliegenden und veranlasste den Umbau des Bunkers zur „richtigen“ Kirche. Geschossdecken wurden gesprengt, Fensteröffnungen entstanden, ebenso eine neun Meter hohe Altarwand und ein aufgesetzter Glockenturm. 2015 wurde die ehemals römisch-katholische Kirche an die koptisch-orthodoxe Gemeinde übergeben – und bleibt bis heute Mahnmal: Im Keller sind ursprüngliche Luftschutzräume erhalten.

Kirchen in Düsseldorf: Zu sehen ist die Bunkerkirche Sankt Sakrament.
Die koptische Kirche St. Maria, ehemals St. Sakrament, ist wohl die stabilste Kirche unter den Kirchen in Düsseldorf. (Foto: Düsseldorf Tourismus , Foto: U. Otte)

St. Suitbertus

Der gesamte Stadtteil Kaiserswerth entführt in vergangene Epochen und trumpft zudem mit seiner Traumlage am Rhein auf. Ende des 7. Jahrhunderts gründete der Missionar Suitbertus auf einer damaligen Rheininsel ein Kloster – der Ursprung des späteren Kaiserswerth. Ihre heutige Gestalt erhielt die Kirche St. Suitbertus vermutlich im 11. Jahrhundert. Die dreischiffige Pfeilerbasilika birgt nicht nur den kostbar verzierten Suitbertus-Schrein, der zu den bedeutendsten mittelalterlichen Reliquienschreinen im Rhein-Maas-Gebiet zählt. An der Außenwand erinnert außerdem ein Bronzerelief von Bert Gerresheim an den Kampf Friedrich Spees gegen den Hexenwahn. Der idyllische Stiftsplatz, auf dem die Kirche steht, ist durch Kanonikerhäuser aus dem 18. Jahrhundert geprägt, Teil der Randbebauung ist das „Romanische Haus“ aus dem 13. Jahrhundert. Doch damit endet die Zeitreise noch nicht: Nach dem Kirchenbesuch und einem Bummel durch den „profanen“ Teil des historischen Ortskerns von Kaiserswerth solltet ihr einen Abstecher zu den Ruinen der Kaiserpfalz am Rhein fest einplanen.

Kirchen in Düsseldorf: Eine Aufnahme der St. Suitbertus Kirche in Kaiserswerth, auf der die Kirche vollständig zu sehen ist.
Die St. Suitbertus Kirche liegt in Kaiserswerth, hier erinnert ein Bronzerelief von Bert Gerresheim an den Kampf von Friedrich Spees gegen den Hexenwahn. (Foto: Lilly Urbaschek)

St. Matthäus

Was moderne Kirchenarchitektur anbelangt, zieht Düsseldorf ein weiteres Ass aus dem Ärmel: Auch St. Matthäus aus der Feder von Gottfried Böhm setzt ein echtes Statement. Das Gebäudeensemble in Düsseldorf-Garath erinnert eher an eine verschachtelte Skulptur als an ein katholisches Gemeindezentrum. Und tatsächlich war Böhm, der 1986 als erster deutscher Architekt mit dem angesehenen Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, auch Bildhauer. St. Matthäus legt unverhohlen Bezüge zur Kunst offen. Die Rot und Blau akzentuierten Betonquader lassen an die Malerei eines Piet Mondrian denken. Die Betonarchitektur wurde auf ein burgähnlich anmutendes Ziegelmauerwerk mit runden Ecktürmen gesetzt, blechverkleidete Elemente ergänzen die Dachlandschaft. Das klingt crazy? Ist es auch. Im Innern dominieren Nischen, Emporen, Logen, Durchbrüche – auch hier ist die Formensprache radikal modern. Kein Zufall, entstand der Kirchenbau doch in den Jahren 1968 bis 1970, zusammen mit dem auf dem Reißbrett entworfenen Stadtteil Garath.

Alt St. Martin

Kirche muss für euch Geschichte atmen? Dann schaut doch mal in Düsseldorf-Bilk vorbei. Denn Alt St. Martin ist nicht nur alt, sondern vermutlich die älteste Kirche der Landeshauptstadt. 1173 ist die Kirche erstmals urkundlich erwähnt. Ausgegrabene Bauten an ihrem Standort weisen sogar bis ins 8. Jahrhundert zurück. Wenn ihr die dreischiffige romanische Pfeilbasilika betretet, die heute die Ecke Martin- und Bachstraße markiert, könnt ihr einige Fresken aus dem 13. Jahrhundert bewundern. Nicht immer brachten die Düsseldorfer diesem historischen Schatz jedoch die ihm gebührende Wertschätzung entgegen: Zwischenzeitlich verlor Alt St. Martin sogar seine Funktion als Pfarrkirche und wurde von einem Textilunternehmen als Scheune genutzt. Nach mehreren aufwändigen Restaurierungen feiern hier heute die katholische Gemeinde St. Bonifatius und die evangelische Lutherkirchengemeinde regelmäßig Gottesdienste. Vor der kleinen Kirche findet ihr übrigens das Original-Teleskop der einst nahegelegenen, im Zweiten Weltkrieg ausgebombten Bilker Sternenwarte.

Heiliger Apostel Andreas

Völkerverständigung von Gottes Segen: In Düsseldorf-Hassels könnt ihr erleben, was sich zusammenfügt, wenn man nur will. Schon von außen fällt der Kuppelbau an der A 46 ins Auge. 1989 wurde die griechisch-orthodoxe Kirche geweiht. An Wänden und Decke im Inneren des Bauwerks ist kein einziges Fleckchen frei von Malerei. Die Fülle der Ikonen und Gemälde ist der Wahnsinn! In jahrelanger Arbeit haben vier Nonnen aus Kreta die Kirche mit Fresken in byzantinischer Tradition ausgeschmückt. Genau hinschauen lohnt sich, denn zwischen den mit jeder Menge Gold akzentuierten Heiligendarstellungen enthüllt sich das Geheimnis eines gelungenen kulturellen Crossovers: Oben in der Kuppel thront Maria über einer Stadt, die klar als Düsseldorf erkennbar ist. Schlossturm, Rhein, Schauspielhaus, Benrather Schloss – alles da. Düsseldorf ist damit die wohl einzige deutsche Stadt, deren Wahrzeichen sich in einer orthodoxen Kirche verewigt finden.

Titelbild: Düsseldorf Tourismus

Dieser Beitrag ist gefördert durch REACT-EU.

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