Julia Stoschek Foundation

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Julia Stoschek Foundation

Die Julia Stoschek Collection vereint eine Sammlung von Weltruhm. Hier zeigen wir Euch sechs besondere Arbeiten.

Die Julia Stoschek Collection ist eine einzigartige Einrichtung. Gegründet von der Sammlerin Julia Stoschek vereint das Haus in Oberkassel eine der weltweit wichtigsten Sammlungen für Medienkunst. Geöffnet ist die JSC immer sonntags, der Eintritt ist frei. Zwei Mal jährlich wechseln die Ausstellungen, die sich mit einem Thema oder auch einzelnen Künstler*innen beschäftigen. Zur Vorbereitung auf den Besuch haben wir sechs Videoarbeiten aus der JSC Video Lounge ausgesucht, die ihr euch schon mal ganz gemütlich von zu Hause auf dem Sofa anschauen könnt, bevor ihr immer wieder sonntags nach Oberkassel aufbrecht. Einfach auf die Bilder klicken, dann werdet ihr zum Video geleitet.

„Soziale Plastik“ von Lutz Mommartz

Lutz Mommartz, Soziale Plastik, 1969, 16-mm-Film, transferiert auf Video, 11′41′′, S/W, kein Ton.

Zum Einstieg ein Düsseldorf-Video: In „Soziale Plastik“ von Lutz Mommartz aus dem Jahre 1969 schaut euch Joseph Beuys satte 11 Minuten direkt an. Fast schon ironisch wirkt da die Handlungsanweisung des Videos: „1967. Joseph Beuys übernimmt den Auftrag, sich dem anonymen Zuschauer gegenüber zu verhalten.“ Denn dem Blick des Künstlers kann man sich nicht entziehen, er wirkt so gar nicht anonym. Ganz im Gegenteil kann man seine wässrigen Augen ausmachen. Immer wieder schluckt er, als ob er ein Weinen unterdrücken wolle, oder atmet tief ein. Wie immer ist Beuys in seiner Uniform gekleidet: Stetson, weißes Hemd und Fischerweste. Seine entrückte Aura wird durch den fehlenden Ton des Videos noch verstärkt. Dabei kommt „Soziale Plastik“ mit nur einem fast unmerklichen Schnitt in der Mitte des Films aus – damals mussten die Filmrollen noch gewechselt werden. Autodidakt Lutz Mommartz, bis 1975 arbeitete er als Verwaltungsangestelter bei der Stadt Düsseldorf, gilt heute als Visionär der Filmkunst. Von 1978 bis 1999 war er dann Professor für Film an der Kunstakademie Münster.

„La vele di Scampia“ von Tobias Zielony

Tobias Zielony, Le Vele di Scampia, 2009, HD-Video, Stop Motion, 9′16′′, Farbe, kein Ton. Videostill.

Ruckelig nähern sich die Zuschauer*innen dem monumentalen Wohnkomplex aus den 1960er Jahren „Le Vele di Scampia“ in der gleichnamigen Arbeit von Tobias Zielony. Der Film wurde aus 7000 Einzelbildern, die mit einer digitalen Spiegelreflexkamera aufgenommenen wurden, montiert. Geplant als moderner Gegenpol zur runtergekommenen Altstadt Neapeals entwickelte sich „Le Vele“ zur sozialen Problemzone. Die Camorra nutzte das Viertel als Ausgangspunkt ihrer kriminellen Machenschaften. 2008 erlangte der Gebäudekomplex als Kulisse für Matteo Garrones Spielfilm „Gomorra“ Berühmtheit, benannt nach dem gleichnamigen Roman von Roberto Saviano. Gemeinsam folgen die Zuschauer*innen Tobias Zielony vom äußeren Umfeld der „Vele“ ins Innere des verworrenen Gebäudes. Dort beobachtet Zielony Jugendliche, das Hauptsujets seiner künstlerischen Arbeit. Obwohl diese sich in macho-haften Posen vor der Kamera zur Schau stellen, baut sie Zielony immer mit Respekt und dem nötigen Ernst in seine künstlerische Arbeit ein.

„I was / I am“ von Barbara Hammer

Barbara Hammer, I Was/I Am, 1973, 16-mm-Film, transferiert auf Video, 5′35′′, S/W, Ton. 

Eine Vorreiterin des queeren und lesbischen Films ist die 2019 verstorbene Barbara Hammer. Der 16-mm-Film „I Was / I am“ aus dem Jahr 1973 ist eine Hommage an die US-amerikanische Experimentalfilmemacherin Maya Deren, die einen starken Einfluss auf Hammers frühes Werk hatte. Die Künstlerin selbst verwandelt sich in diesem biographisch geprägten Film von einer unschuldigen Prinzessin im weißen Kleid mit Diadem in eine lesbische Kämpferin in schwarzer Ledermontur mit Pistole, auf einem Motorrad fahrend. So nahm Hammer sich in den 1970er Jahren als eine der ersten Filmemacher*innen der lesbischen Lebensrealitäten an und wurde zur Pionierin des Queer Cinemas. Auch ihre weiteren Arbeiten in der JSC-Mediathek sind unbedingt sehenswert!

„Peas“ von Wolfgang Tillmanns

Wolfgang Tillmans, Peas, 2003, Video, 2′42″, Farbe, Ton.

Ein echter Weltstar ist der Künstler Wolfgang Tillmanns. Als erster Nicht-Brite erhielt er 2000 den berühmten Turner-Preis der Tate Gallery – ein Ritterschlag in der Kunstwelt. Seine Arbeit „Peas“ aus dem Jahr 2003 zeigt eine fast dreiminütige Studie schäumend kochender Erbsen als bildschirmfüllende Aufnahme. Das aufwallende Wasser sorgt für eine optische Täuschung: Es scheint als zoome die Kamera stetig vom Topf weg, obwohl sie immer statisch bleibt. Hier steht die optische Täuschung im Vordergrund. Als sich die Wogen des kochenden Wassers langsam legen, wird die Stimme eines amerikanischen TV-Predigers immer dominanter. „You are never in danger!“ skandiert er. Einerseits ein Fingerzeig des offen homosexuell lebenden und HIV-positiven Tillmanns auf die religiöse Engstirnigkeit und Intoleranz. Andererseits erinnert die Stimme an den „Preacher House“, eine Unterart der House-Musik, mit dessen Kultur sich der gebürtige Remscheider künstlerisch und chronistisch auseinander setzt. 

„Zezziminnegesang“ von John Bock

John Bock, Zezziminnegesang, 2006, 16-mm-Film, transferiert auf Video, 27′22″, Farbe, Ton.

In die abstruse und sehr eigene Welt des Künstlers John Bock führt der nächste Film. „Zezziminnegesang“ ist eine 27 Minuten lange Reise durch den Bock’schen Kosmos, der zwischen Schmunzeln, Verwunderung und Ekel changiert. In einer unaufgeräumten Küche seht ihr zu, wie er zum Beispiel eine Dose Ravioli brachial mit Hammer und Meißel öffnet. Den Inhalt der Dose löffelt er mit einem an einem Sessel festgemachten Löffel unter größter Anstrengung aus. Im Weiteren spielen eine Leiche, der Schlager „Grau zieht der Nebel“ von Alexandra und ein Dialog zwischen Kim Basinger und Günter Grass eine Rolle. Klingt schrägt, vielleicht sogar etwas gruselig? Ist es auch! Aber absolut sehenswert. Und als kleiner Spoiler: Zum Schluss dieser großartigen Groteske werden die inneren Dämonen mit einem sehr Hollywood-tauglichen Ende gebannt. 

„At the house of Mr. X“ von Elizabeth Price

Elizabeth Price, At the House of Mr. X, 2007, HD-Video, 20′, Farbe, Ton. 

Zum Schluss gibt es einen schon fast hypnotischen Film von Elizabeth Price. „At the house of Mr. X“ (2007) zeigt ein modernistisches, in den späten 1960er-Jahren erbautes Haus in einem wohlhabenden Vorort von London. Es wurde im Auftrag des Kosmetikherstellers und Kunstsammlers Stanley Picker als Wohnhaus errichtet, von ihm jedoch nur kurze Zeit bewohnt. Das Video ist ein langsamer Rundgang durch das Gebäude: Eingang, Empfangsbereich, Esszimmer und Salon und später auch das Schlafzimmer. Die Kunstwerke, die im ganzen Haus ausgestellt sind, liefern uns die einzigen bildlichen Hinweise auf menschliche Figuren. Begleitet wird der Rundgang durch dieses architektonische Kleinod von eingeblendeten Textzeilen. Die Informationen stammen aus unterschiedlichen im Haus befindlichen Archiven, zu denen architektonische Erläuterungen, kuratorische Bestandsaufnahmen der Kunstwerke und Designobjekte sowie eine Sammlung von Geschäftspapieren mit Werbeanzeigen für die bekannten Kosmetikmarken „Mary Quant“, „Miners“ und „Outdoor Girl“ gehören.

Dieser Beitrag ist gefördert durch REACT-EU.

Bilder: Julia Stoschek Foundation

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