„Jetzt sind es plötzlich schon 46 Jahre, seitdem wir aus Tokio das erste Mal hergeflogen sind.’’

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„Jetzt sind es plötzlich schon 46 Jahre, seitdem wir aus Tokio das erste Mal hergeflogen sind.’’

Interview mit Kunie und Takao Baba

Familie Baba wohnt seit fast 50 Jahren in Düsseldorf. Wir konnten Kunie Baba (79) und ihren Sohn Takao Baba (49) im Düsseldorfer Schauspielhaus interviewen. Im Gespräch erzählen sie uns, wie sie nach Düsseldorf kamen.

Mittlerweile ist eure Familie in der 3. Generation in Düsseldorf. Wie kam es zur Entscheidung von Tokio nach Düsseldorf zu ziehen?

Kunie: Mein Mann hatte hier in Düsseldorf eine GmbH gekauft und aus diesem Grund sind wir nach Düsseldorf gezogen, als Takao erst sechs Monate alt war. Es war auch eigentlich gar nicht geplant, dass wir länger als ein paar Jahre in der Stadt bleiben – und jetzt sind es plötzlich schon 46 Jahre, seitdem wir aus Tokio das erste Mal hergeflogen sind. *lacht* Ich fühle mich immer noch sehr wohl hier. In Japan waren wir aber trotzdem immer wieder regelmäßig, um Familie zu besuchen. Mir war das auch wichtig, dass meine Kinder früh anfangen, japanisch zu erlernen.

Takao: Da ich schon mit sechs Monaten nach Deutschland kam, war das als Kind auch immer ein ziemlich nahtloser Switch zwischen den Kulturen und Sprachen. Ich kannte es gar nicht anders: Ich war auf deutschen Schulen, bin aber jedes Jahr in den Sommerferien nach Japan zu unseren Großeltern geflogen. Da zu der Zeit im Sommer die Ferien in Japan noch nicht so früh losgingen wie bei uns, bin ich dann dort immer noch ein paar Tage zur japanischen Schule gegangen. So hatte ich bei vielen Trends, die langsam aus Japan nach Deutschland kamen, immer einen frühen Einblick, wie bei Mangas und Videospielen. Jedenfalls habe ich so diesen kulturellen Wechsel immer wieder erlebt. Zu Hause haben wir ja sowieso japanisch gesprochen.

Als ich im Teenager-Alter mit dem Hip-Hop Tanz begann, wurde mir bewusst, dass es durchaus von Vorteil war, schon im Kindesalter solch unterschiedliche Kulturen erlebt zu haben. Denn bei den Tanzkursen bin ich mit vielen weiteren Kulturen aus aller Welt in Kontakt gekommen. Gerade in urbanen Tanz-Richtungen ist das auch totaler Standard, dass du immer wieder mit Menschen aus den verschiedensten Kulturkreisen zusammenarbeitest.

Du bist ja nun schon seit mehreren Jahrzehnten aktiv in der Tanzszene, sowohl als Tänzer und Choreograph, aber auch im Aufbau der Szene und der Organisation von Events. Wie kamst du damals zum Tanz?

Takao: Durch einen Zufall ist mir in der Schule in der 4. Klasse, 1984, ein Rap-Mixtape von einem Klassenkameraden in die Hände gefallen. Murat hatte damals schon bei der ersten großen Trend-Welle Breakdance zu ‚Break Machine‘ getanzt. So hab ich dann auch meine ersten Versuche gewagt.

Kunie: Ich weiß noch ganz genau: In der Zeit war irgendwann plötzlich im Garten ein Loch in der Erde und ich konnte mir nicht erklären, wie das dahin gekommen war. Dann sah ich, dass Takao immer und immer wieder ‚Headspin‘ im Garten übte. So unermüdlich, dass er sich quasi fast in den Gartenboden gedreht hatte. *lacht* Ich fand es immer schon ganz toll, dass Takao die Dinge so leidenschaftlich angeht, für die er brennt. Ich war selbst lange Ballet-Tänzerin und kann seine Begeisterung für den Tanz deshalb gut nachvollziehen. Heute bin ich Yoga-Lehrerin am Tanzhaus NRW.

Takao: Als wir 2004 hier in Düsseldorf angefangen haben, Events zu veranstalten, um die Szene zu vergrößern und zu vernetzen, gab es hier so gut wie nichts vor Ort an urbanem Tanz, außer das Tanzhaus NRW. Paris war damals schon viel weiter, was das angeht. Wir hatten einen Kontakt zu den Veranstaltern des ‚Juste Debout‘ – das war DAS europäische Tanz-Battle Event. Dadurch wurden wir dann die Ersten, die in Düsseldorf die verschiedenen urbanen Tanzrichtungen auf einer Veranstaltung vereinten. Das Juste Debout Germany war das Vorentscheid-Event für Paris.

Es gab beim Juste Debout Paris Arenen mit teils bis zu 16.000 Besucher*innen – also eine echt große Sache. Tänzer*innen aus dem Breakdance, Popping, Locking, House-Dance, Krump, Funkstyle, Hip-Hop etc. wurden hier zusammengebracht. Diese Stile waren zwar vereinzelt auf kleineren Events, sogenannten ‚Jams‘ schon vertreten, aber nicht so groß zusammengeführt wie bei uns. Mit dem Tänzer Amigo von der Crew ‚Flying Steps‘ habe ich dann das ‚Funkin‘ Stylez’ Event in Düsseldorf kreiert, das war die erste große eigenständige Veranstaltung in der Stadt. Durch den internationalen Wettstreit bei diesem Battle-Event z. B. zwischen den Tanz-Crews aus Deutschland, Belgien und Frankreich hat sich das Niveau über ca. zehn Jahre lang ständig weiterentwickelt.

Gab es zwischen deiner Arbeit als Choreograph und Tänzer und deiner deutsch-japanischen Herkunft irgendwann Momente der Verbindung?

Takao: Ich war immer wieder als Erwachsener in Japan und im Austausch mit japanischen Tanz-Crews. Die japanischen Tanz-Crews waren uns gefühlt immer ein gutes Stück voraus. Sowohl was die Anzahl an talentierten Tänzer*innen anging, das Level als auch die Größe und Popularität der Events. Es war für mich immer schon ein Traum, mit japanischen Veranstaltern zu kollaborieren. Irgendwann haben wir dann eine Kooperation angefangen und beim jährlichen Düsseldorfer Japan-Tag hier den Vorentscheid für das Dance Delight in Japan abgehalten, ein riesiges Tanz-Event seit 1994. Die Gewinner*innen hier vor Ort durften dann nach Japan fliegen und sich dort beweisen.

Gibt es für euch Orte in Düsseldorf, an denen ihr besonders stark die japanische Kultur als erlebbar empfindet?

Kunie: Das EKO-Haus in Düsseldorf Niederkassel ist schon etwas Besonderes. Bevor es 1993 eröffnet wurde, gab es dort schon in der Gegend recht viele japanische Einwohner*innen. Die Atmosphäre der Tempelanlage und des japanische Gartens sind wirklich schön.

Takao: Innerhalb der Anlage dort befindet sich auch ein japanischer Kindergarten, den meine Kinder besucht haben. Ich glaube, sowohl für Japaner*innen als auch für deutsche und internationale Besucher*innen ist das ein besonderer Ort – schon allein optisch. Ansonsten natürlich die unzähligen Restaurants. Heutzutage nimmt man das als so selbstverständlich hin, dass es hier so eine Fülle an authentischen Adressen dafür gibt. Als meine Mutter hier 1979 ankam, sah das noch ganz anders aus!

Kunie: Genau, das Nippon-Kan war das erste japanische Restaurant in Düsseldorf und lange auch das Einzige, glaube ich. Kikaku kam dann später dazu, aber bis zu den 90er-Jahren war das Angebot in Düsseldorf noch lange nicht so groß wie heute. Mittlerweile gibt es beide Restaurants leider nicht mehr, dafür aber viele andere und eine riesige Bandbreite.

Takao: Neben den ganzen authentischen asiatischen Supermärkten, Restaurants und Läden sind es für mich auch kleine Dinge im Alltag: Ich bin die meiste Zeit meines Lebens zu nicht-japanischen Friseur*innen gegangen. Die haben sich aber wirklich jedes Mal verschnitten und ich war nie zufrieden! Die asiatische Haar-Struktur ist ja doch etwas anders als  bei europäischen Haaren… vielleicht lag es auch daran. Irgendwann hab ich erfahren, dass es tatsächlich sogar japanische Friseur-Salons hier in Düsseldorf gibt. Seitdem bin ich absoluter Stammkunde. Ansonsten auch so Kleinigkeiten wie die japanischen Bäckereien, wo das Brot ein Stück fluffiger ist und es etwas anderes Süßgebäck gibt.

Titelbild: Düsseldorf Tourismus

Titelbild und Beitrag sind gefördert durch REACT-EU.

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