„Düsseldorf hat viel von meiner Heimat“

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„Düsseldorf hat viel von meiner Heimat“

Interview mit Yoshizumi Nagaya

Yoshizumi Nagaya ist das, was man in Japan einen Großmeister nennt. Als einziger Japaner Deutschlands führt er zwei Restaurants, die mit je einem Michelin-Stern gekrönt sind.

Nur wenige Schritte voneinander entfernt überraschen das Nagaya und das Yoshi by Nagaya mit zwei unterschiedlichen kulinarischen Konzepten. Während im Nagaya auf der Klosterstraße eine ungewöhnliche Kombination aus traditionell japanischem Purismus und europäischer Hochküche propagiert wird, hat sich der Ausnahmegastronom im 2016 auf der Kreuzstraße eröffneten Restaurant Yoshi by Nagaya der klassischen Kaiseiki-Küche, der japanischen Haute Cuisine, verschrieben. Gelernt hat Yoshizumi Nagaya sein Handwerk bei Toshiro Kandagawa in Osaka, dem Meister der traditionellen japanischen Küche, und bei Takada Hassho in Gifu, einem Verfechter der innovativen Kochkunst.

2003 eröffnete Yoshizumi Nagaya sein erstes „Nagaya“ auf der Bilker Straße in der Düsseldorfer Carlstadt, in dem er Aromen und Techniken der asiatischen und europäischen Kochkunst zu einem ganz eigenen Stil verschmelzen ließ. Ein Jahr nach dem Umzug 2009 in die zentral im Japan-Viertel gelegene Klosterstraße erhielt der umtriebige Meisterkoch den begehrten Stern. Im „Yoshi“ ging es schneller. Bereits ein Jahr nach der Eröffnung wurde sein zweites Restaurant in den Michelin-Adelsstand erhoben. Wir trafen Yoshizumi Nagaya anlässlich seines anstehenden 20-jährigen Gastro-Jubiläums im elegant eingerichteten Nagaya mitten in Little Tokyo.  

Sie sind der einzige japanische Koch in Deutschland, der mit zwei Sternen für zwei Restaurants dekoriert wurde. Was bedeutet das für Sie?

Um ehrlich zu sein, denke ich im täglichen Geschäft überhaupt nicht darüber nach. Wir arbeiten stetig daran, die Wünsche unserer Gäste zu befriedigen, sie dauerhaft glücklich zu machen. Das ist es, worüber wir nachdenken.

Welche Rolle spielt der Standort Düsseldorf für Ihre Arbeit?

Eine große Rolle. Hier gibt es so viele japanische Produkte wie wahrscheinlich nirgendwo anders in Deutschland. Und das Produkt steht ganz klar im Vordergrund meiner Küche.

Seit wann leben Sie in Deutschland?

Wir sind 2000 nach Deutschland gekommen, auf Wunsch meiner Frau. Sie war neugierig, wollte das Leben in Europa kennenlernen. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung für Düsseldorf war, dass es hier einen japanischen Kindergarten und eine japanische Schule gibt.

Träumten Sie damals schon von einem eigenen Restaurant?

Nein, zunächst nicht. In Japan war ich angestellt und als wir hierherkamen, arbeitete ich zunächst im Oberkasseler Restaurant Edo als Küchenchef. Leider schloss das Restaurant schon sechs Monate später. Ich ging dann für ein Jahr nach Mailand, um im Nobu zu arbeiten, ein sehr bekanntes Restaurant, mit etwa 40 Filialen weltweit. Doch dann wollte ich zurück zu meiner Familie nach Düsseldorf und fasste den Plan, mich selbstständig zu machen.

Hatten Sie eine konkrete Vision?

Nun, mein Meister und auch die Kolleg*innen hatten mir einst davon abgeraten, nach Europa zu gehen. Ich wollte also auf keinen Fall nach Japan zurückkehren, ohne einen Erfolg vorweisen zu können. Damals gab es in Japan noch keinen Michelin-Guide und folglich auch keine Michelin-Sterne. Wenn ich je in meine Heimat zurückkehre, dann nur mit einem Stern im Gepäck, das hatte ich mir geschworen.

Könnten Sie sich auch vorstellen, in einer anderen deutschen Stadt zu leben und zu arbeiten?

Nein, obwohl mir Hamburg auch gefällt, ist Düsseldorf etwas ganz Besonderes für mich. Und das liegt nicht nur daran, dass ich hier alle Produkte finde, die ich für meine Küche brauche. Düsseldorf ähnelt auch meiner Heimatstadt Gifu in vielerlei Hinsicht – es ist nicht groß und auch nicht klein. Ich habe mich hier sofort zu Hause gefühlt.  

Wie empfinden Sie den Zusammenhalt der japanischen Community in Düsseldorf?

Das Verhältnis zwischen den Gastronom*innen ist kollegial, man hält zusammen. Es gibt eine wirklich schöne Gastro-Kultur hier.

Was unterscheidet Sie von anderen japanischen Köch*innen?

Meine Küche ist nicht in erster Linie auf japanische Gäste ausgerichtet. Man könnte fast sagen: Sie ist eigentlich nicht für Japaner*innen, sondern für Düsseldorfer*innen gemacht. Tatsächlich kommen eher Europäer*innen zu uns. Wir bieten japanische Kultur mit deutschen Einflüssen. Ich habe in der Kaiseiki-Küche gelernt. Mein Ziel ist, diese weiterzuentwickeln, ihre Traditionen zu bewahren und gleichzeitig moderne Elemente einfließen zu lassen.  

Wohin gehen Sie, wenn Sie auswärts essen möchten?

Ich gehe gerne ins Kushi-Tei, Takeichi oder ins Yabase. Wenn ich Lust auf französische Haute Cuisine habe, gehe ich ins Le Flair. Im Schiffchen zu essen ist auch ein Erlebnis, dort kocht mit Jean-Claude Bourgeuil ein großer Meister seiner Zunft.

Sie sind seit 2003, also seit fast 20 Jahren, in der Düsseldorfer Gastronomie. Wie hat die Stadt sich seither verändert?  

Eigentlich hat sich nicht so viel verändert. Es gibt nach wie vor eine große Anzahl von Gourmetrestaurants hier.

Was inspiriert Sie? Wie und wo finden Sie neue Ideen?

Neue Ideen finde ich meist im Internet. Dort sehe ich, was international gerade modern ist, was man in Tokio und New York so isst. Zum Reisen bleibt mir leider wenig Zeit.

Wohin gehen Sie, wenn Sie abschalten wollen?

Ich mag den Hofgarten, gehe manchmal auch an den Rhein oder in den japanischen Garten in Niederkassel. Der japanische Garten im Nordpark interessiert mich auch, doch ich habe ihn noch nicht besucht. Ich bin einfach bisher nicht dazu gekommen.

Welcher Ort ist Ihr Lieblingsort in Little Tokyo?

Das Ramen-Restaurant Takeichi. Hier fühlt man sich wirklich wie in Japan. Ich bin aber auch gerne zu Hause. Ich wohne ja direkt hier um die Ecke.

Haben Sie manchmal Heimweh nach Japan? Wenn ja, was tun Sie dann?

Ich war jetzt fünf Jahre nicht mehr dort, auch wegen Corona. Meine Schwester lebt noch in Japan, und eigentlich sind Besuche auch deshalb Pflicht, um auf dem Laufenden zu bleiben, was japanische Food-Trends betrifft. Aber inzwischen empfinde ich Düsseldorf als meine Heimat. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich bei meiner Rückkehr vom Rheinturm empfangen werde. Ehrlich gesagt reicht es mir bereits, wenn auf der Autobahn Düsseldorf ausgeschildert ist. Dann freue ich mich schon.

Interview von Ilona Marx und Markus Luigs (Fotos).

Bilder: Düsseldorf Tourismus

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