Das Paradies gleich nebenan

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Das Paradies gleich nebenan

Walid El Sheikh hat die Gastronomie der Stadt in den letzten Jahren geprägt wie kaum ein anderer. Seine stilistisch bis ins kleinste Detail durchdeklinierten Etablissements wie das Sir Walter, die Elephant Bar, die Boston Bar oder das Oh Baby Anna! locken eine neue Klientel in die Altstadt. Und der Gastronom sprüht weiter vor Ideen, hat nach der Eröffnung des The Paradise Now, eines Dreiklangs aus Bistro, Bar und Club 2021 im MedienHafen, schon wieder zwei neue Eisen im Feuer. 

Was inspiriert El Sheikh zu immer neuen Konzepten? Wie erspürt er den Zeitgeist? Prägt er ihn vielleicht sogar? Welches seiner gastronomischen Konzepte spiegelt am stärksten seine eigenen Vorlieben? Wir sprachen mit dem 43-Jährigen über Sehnsüchte und Selbstreflexion, über das Ankommen und das Runterkommen in der eigenen Stadt, das Neu-Denken nach der Pandemie – und über seine Zukunftspläne.  

Du hast inzwischen eine ganze Reihe spektakulärer Gastronomie-Projekte verwirklicht. In welchem deiner Etablissements fühlst du dich am meisten zu Hause?  

Ich fühle mich in allen sehr wohl. Tatsächlich aber befriedigt das jüngste Konzept, The Paradise Now, mein ganzheitliches Bedürfnis am meisten. Ich entwickle mich und die neuen Gastronomien ja aus einem persönlichen Anliegen heraus. Und aus der Überzeugung, dass etwas in meiner Stadt fehlt. Wir haben unheimlich viel hervorragende Gastronomie, die charakteristisch für Düsseldorf ist. Das ist gut, weil solche Lokale identitätsstiftend sind. Mir jedoch fehlte in meiner Heimatstadt ein Sehnsuchtsort. Den habe ich hier gemeinsam mit meinen Partnern (Moritz von Schrötter und Charles Bals, Anm. der Red.) geschaffen.  

Dein Output an neuen Gastro-Konzepten ist bemerkenswert. Innerhalb von sechs Jahren hast du fünf Lokale eröffnet. Was treibt dich an? 

Meine Triebfeder ist eben genau die Sehnsucht. Ich urteile im Anfangsstadium noch nicht einmal, ob ein Konzept wirtschaftlich funktionieren würde. Es geht vielmehr darum: Ist die Idee nützlich oder nicht? Und wenn ich feststelle, ja, das könnte der Stadt einen Mehrwert bieten, dann beginne ich, mich intensiver mit dieser Sehnsucht auseinanderzusetzen. Was benötige ich, um sie zu stillen? Mit diesem Gedanken mache ich mich auf die Suche nach dem richtigen Raum. Glaube ich, diesen gefunden zu haben, spüre ich in den Raum hinein, ab da wird es sinnlich. Welche Optik, welche Haptik würde hier passen? Wie kann ich den Gast an diesem Ort visuell und seelisch berühren? Mit den richtigen Mitarbeitern wird dann aus einer Idee ein ganzheitliches, stimmiges Konzept.  

Du nennst The Paradise Now einen Sehnsuchtsort. Wie übersetzt man eine schwer greifbare, diffuse Empfindung und ein sehr persönliches Gefühl in eine gastronomische Erlebniswelt? Haben sich deine Sehnsüchte in den letzten Jahren verändert?  

Früher wurden meine Sehnsüchte durch Reisen befriedigt. Heute hat sich die Definition des Sehnsuchtsortes verändert, durch die sozialen Medien vor allem. Am Ende des Tages ist der Sehnsuchtsort nur ein Bild, er steht für ein Gefühl, das ich habe, für einen Wunsch, nämlich den, meinem Alltag zu entfliehen. Meine Idee war also, die Ferne abzubilden, ein authentisches Setting zu schaffen, das mich aus dem Hier und Jetzt entführt.  

Du holst die Ferne in die Nachbarschaft …  

Ja, uns allen ist klar, dass wir nicht immer Mexiko haben können, wenn uns nach Mexiko ist. Aber ich kann in das Gefühl, das Mexiko in mir auslöst, eintauchen. Das Licht, die Oberflächen, die Farben, die Gerüche und Geräusche, selbst die Luftfeuchtigkeit – das Zusammenspiel aus alldem kann mich vergessen machen, dass ich in Düsseldorf bin. Dieses Paradies ist gleich nebenan.  

Deine Lokale sind in ihren Konzepten und in der Einrichtung sehr unterschiedlich. Was inspiriert dich?  

Es gibt keine Blaupause. Ich lasse mich von Filmen, von der Kunst, im Theater inspirieren. Wenn ich auf Reisen gehe, fügen sich weitere Puzzlestücke hinzu. Gerüche, Materialien und Farben. So entsteht in meinem Kopf ein großes Ganzes.   

Hast du als Gastgeber Ideale? Was ist dir wichtig? 

Mein ganz großes Bedürfnis ist die Vielfalt, Toleranz und gesellschaftliche Breite. Ich möchte Räume schaffen, in denen Menschen unterschiedlichster Herkunft, mit diversen Berufen, Lebensweisen und Überzeugungen ins Gespräch kommen. Oft erzählen mir Gäste, sie hätten erwartet, in meinen Bars müsse man in Abendgarderobe erscheinen. Allein meine Art aufzutreten, in Jeans und Sneakers, sollte dieses Vorurteil widerlegen.  

Wenn du dich mal nicht um deine Gäste kümmerst: Wo und wie tankst du auf?  

Indem ich das Telefon ausschalte und weiß: Meine Mitarbeiter bekommen das hin. Ich gehe auch gerne für ein paar Tage zum Skilaufen in die Berge oder mache eine Woche Urlaub am Meer. Keinen Druck verspüren, 24 Stunden lang nur Vater sein – so tanke ich auf.  

Und in Düsseldorf?   

Ich mache eine Stunde Crossfit-Training pro Woche. Das ist körperlich so wahnsinnig anstrengend, dass ich voll auf meinen Körper konzentriert bin und sich mein Geist im Nu befreit.   

Und wenn du es mal etwas ruhiger angehen lässt? Welches ist dein Lieblingsstrand in Düsseldorf?  

Ich gehe gern am Rhein spazieren, aber mein liebster Badeort befindet sich im Rochusclub. Dort gibt es ein winziges Freibad. Wenn die Kinder planschen und ich mein Eis essen kann – das ist meine Lieblingsstrandsituation in Düsseldorf.  

Wohin verschlägt es dich, wenn du ausgehen möchtest?  

Es gibt so viele wunderbare Orte. Ich gehe sehr gern ins Saitta und in die Brasserie Hülsmann. Oder ins Em Brasse an der Moltkestraße, um einen Berliner Vibe zu verspüren.  

Verrätst du uns dein Lieblingsessen? 

Ich bin verrückt nach unserer Pasta Vongole im The Paradise Now. Eine Gabel davon und bist du an der Amalfi-Küste. Das ist wirklich toll. 

Du hast wieder neue Projekte in Arbeit. Erzählst du uns davon?   

Ich kann noch nicht alles preisgeben, aber so viel: Es wird zwei weitere Lokale in der Altstadt geben. Ihr kennt vielleicht den Begriff des Easy Drinking, des unkomplizierten Genusses von Wein und Spirituosen. Ich möchte eine Easy-Eating-Gastronomie entwickeln. Das Ganze hat nichts mit Fast Food zu tun. Es wird vielmehr ein Lokal sein, in dem man sich auf eine Spezialität konzentriert, einer einzigen Sache seine ganze Aufmerksamkeit widmet. So wie wir es vielleicht aus eine portugiesischen Cevicheria kennen. All das wird an einem besonderen Ort stattfinden, an dem man eine solche Spezialität nicht vermutet. Mehr möchte ich noch nicht dazu sagen.  

Wann wirst du das Geheimnis lüften?  

In zwei Monaten verrate ich dir Details. 

Vielen Dank! Wir sind sehr gespannt und sehen uns dann wieder.


Unsere Autorin

Kunst, Mode, Design, Architektur, Gastronomie – Ilona Marx, seit 25 Jahren Wahl-Düsseldorferin, hat viele Leidenschaften. Auf der steten Suche nach neuen Inspirationen hat sie für das von ihr mitbegründete Modefachmagazin J’N’C Cityguides für 50 Metropolen erstellt, von Helsinki bis Hongkong. Nach fast zwei Dekaden als Chefredakteurin arbeitet sie nun freiberuflich, unter anderem für Konfekt, Monocle, Vogue, GEO Saison, DB mobil, Wallpaper, The Weekender, Architektur & Wohnen und die NZZ. 

Titelbild & Galerie: Düsseldorf Tourismus
Portrait Ilona Marx: Maria Gibert

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