„Farbe des Altbiers erinnert an einen Kupferstich“

|

“Farbe des Altbiers erinnert an einen Kupferstich” 

Was eine Biersommeliere über Reifeprozess und Trinkbarkeit verrät 

Das Berufsleben von Anja Kober-Stegemann war lange Zeit geprägt von Top-Down-Entscheidungen, PowerPoint-Präsentationen und Mitarbeiterreduzierung. Die Diplom-Kauffrau arbeitete in Düsseldorf bei internationalen Unternehmen. Bis Kober-Stegemann ihre wahre Passion fand: das Bier! Heute lebt sie in Odenthal bei Köln und ist als Biersommeliere eine gefragte Expertin in Sachen Bier. Wir haben mit ihr über die Besonderheiten des Düsseldorfer Altbiers gesprochen.  

Frau Kober-Stegemann, Sie befassen sich beruflich mit Bierkultur. Was macht das Altbier aus? 

Altbier sagt erstmal, dass es ein obergäriges Bier ist und zwischen 4,5 und 5,5 Prozent Alkohol hat. Es hat meistens dunkelbraune bis rotbraune Farbe, die an einen Kupferstich erinnert. Es ist ein malzig-hopfiges Bier mit grasigen und nussigen Aromen als Geschmacksparameter.  

Was ist das Besondere am Düsseldorfer Alt? 

Was das Düsseldorfer Alt besonders auszeichnet, ist die hohe Trinkbarkeit. Als obergäriges Bier wird es mit Hefe gebraut, die es mit 20 bis 25 Grad am liebsten kuschelig warm hat. Danach wird das Bier aber bei relativ niedrigen Temperaturen in die Nachgärung und Lagerung gegeben. Das ist ungewöhnlich für eine obergärige Biersorte.  

Warum? 

Wenn es nur 13 bis 18 Grad sind, dann arbeitet die Hefe viel langsamer und der Reifeprozess dauert länger. Wenn man den Prozess verschnellern würde, käme zwar auch ein Bier dabei heraus, aber das ist danach nicht so vollmundig. Alt ist also aufgrund der Brauart immer vollmundig, egal von welcher Hausbrauerei es kommt. 

“Durch Sorgfalt entsteht ein gutes Produkt.” 

Wie lange reift das Bier? 

Die hohe Trinkbarkeit kommt auch von der vier- bis achtwöchigen Lagerung. Dadurch können die Aromen angenehmer aufgehen und die Kohlensäure bleibt länger im Bier. Daher hat das Alt eine schöne Spitzigkeit und eine geringe Anreicherung von Gärnebenprodukten, die man nicht im Bier haben will. Deshalb kann man auch einfach viele davon trinken, was ja häufig in der Altstadt auch gemacht wird (lacht).  

Und hat am nächsten Tag auch keinen Schädel? 

Ja, gewöhnlich hat man keine Kopfschmerzen. Das liegt auch an der sorgfältigen und langsamen Herstellung in kleineren Mengen. Durch Sorgfalt entsteht ein gutes Produkt.  

Wie unterscheiden sich die verschiedenen Altbiere? 

Sollte man Alt mal komplett blind trinken, fällt die Unterscheidung sicher auch geübten Trinkern schwer – in sich haben sie merkbare Geschmacksnuancen, aber es bleibt immer ein vollmundiges Bier. Man darf nicht unterschätzen, dass Bier durch Inszenierung und Geschichten lebt. Große Brauereien machen das durch viel Werbung. Die Düsseldorfer Hausbrauereien verkaufen mit dem Bier ein Lebensgefühl, das sich aus dem Ambiente der Gaststätten, viel Tradition, den Habitus des Köbes, den Speisen oder der Mischung der Gäste zusammensetzt.  

Warum gibt es so viele Brauereien in der Altstadt? 

In Düsseldorf werden die Altbrauereien als wesentliches Element der Tradition und Eigenständigkeit angesehen. Die Wirtinnen und Wirte leben dieses Thema, dafür sind die Gäste dankbar. Außerdem ist das Alt deutschlandweit bekannt, obwohl dieser Bierstil nicht geschützt ist. Dazu kommt das Flair der Hausbrauereien, es ist einfach gesellig.  

“Man bekommt das nächste Bier ungefragt vom Köbes hingestellt.” 

Was gibt es nur in Düsseldorf? 

Man bekommt das nächste Bier ungefragt vom Köbes hingestellt. Das ist einfach eine super Verkaufsstrategie, weil man schon vorher überlegen muss, ob man nicht mehr will. Dann ist man aber im Gespräch, wenn der Köbes kommt, und – zack – hat man wieder ein frisches Alt dastehen.  

Was sagen Sie zu den neuen Bierkreationen der Hausbrauereien? 

Ich finde Vielfalt gut. Heutzutage hilft ein erweitertes Portfolio, um Menschen, die kein Alt mögen, abzuholen. Dabei darf der Markenkern nicht vergessen werden. Wie bei vielen Bierstilen entwickelte sich das Alt langsam, im 19. Jahrhundert wurden dann viele kreative Neuerungen bei der Bierproduktion eingeführt. In der ältesten Hausbrauerei Schumacher wurde 1838 das erste Alt eingebraut. Viele Jahrhunderte davor, gab es vor allem das säuerliche Keutebier. Dieses Kräuterbier war auch Nahrungsmittel, da es das einzige Getränk in dieser Zeit war, dass durch den Herstellungsprozess relativ rein und sicher zu trinken war. Nicht umsonst steht im Eingangsbereich der Brauerei Schlüssel „Trink, was klar ist, iss, was gar ist, und sag, was wahr ist.“ 

Was muss man bei einem Bier-Tasting beachten? 

Ein Bier sollte immer aus dem für den Bierstil passendem Glas getrunken werden. Beim Alt ist es die Altbierstange mit seiner zylindrische Glasform. Im Glas sieht man ein kupferfarbenes Bier mit einer weißen Schaumkrone. Die Aromatik wird als erstes durch die Nase wahrgenommen mit Malz, Karamell aber auch Käuter- und Grasaromen. Die Rezenz, das Mundgefühl, ist gewöhnlich weich und frisch. Beim Runterschlucken spürt man im Abgang eine Malzsüße und auch eine Kräuterbittere.  

Ihr Geheimtipp fürs Altstadt-Tasting? 

Altbier kann man ruhig ein bisschen wärmer trinken als zum Beispiel ein Pils, weil es einen schönen Malzkörper hat.  


Mehr über Anja Kober-Stegemann erfahrt ihr auf ihrer Website die-biersommeliere.de.

Titelbild: Anja Kober-Stegemann


Wenn ihr jetzt Lust auf Altbier habt, dann sichert euch einen Platz für unsere „Craft Beer & Streetfood“-Führung!

Jetzt zum Newsletter anmelden und keine Neuigkeiten mehr verpassen