Sechs spektakuläre Prozesse im Ex-Justizpalast in der Altstadt

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Sechs spektakuläre Prozesse im Ex-Justizpalast in der Altstadt

Das Boutique-Hotel The Wellem im ehemaligen Land- und Amtsgericht atmet Geschichten. Wir erzählen sie euch.

Über allem thront die Statue der Justitia, Göttin der Gerechtigkeit: Wer die riesig-mondäne Empfangshalle betritt, merkt sofort, dass es sich bei The Wellem an der Mühlenstraße 23 um kein „normales“ Hotel handelt. Das Ambiente lässt Bilder im Kopf entstehen: Richter und Staatsanwälte, die über die Stufen des dreiflügeligen Treppenhauses spazieren, auf dem Weg zur nächsten Verhandlung. Bis 2010 residierte in dem 1923 fertiggestellten Justizpalast mit der neobarocken Fassade und den ins Auge fallenden Eingangssäulen das Land- und Amtsgericht Düsseldorf. Heute kann man hier übernachten, in rund hundert luxuriösen Suiten und Studios. Zeitgenössische Kunst spielt eine wichtige Rolle im Konzept des nach dem Kurfürst Jan Wellem benannten Boutique-Luxushotels – sowohl in den Zimmern, als auch in der hauseigenen Galerie und den sechs integrierten Restaurants und Bars (u.a. Werke von Jeff Koons und Julian Schnabel).
 
Im Folgenden präsentieren wir euch sechs Gerichtsprozesse, die an diesem historischen Ort weit über die Stadtgrenzen Düsseldorfs hinaus Aufsehen erregten. Vielleicht kommt euch ja sogar der eine oder andere Fall bekannt vor.

Der Armbrust-Mord-Prozess (1987)

Eine 21-Jährige verliebt sich in den 58-jährigen Besitzer eines stadtbekannten Eiscafés. Er mietet ihr sogar eine Wohnung für ihre Treffen, doch sie ist eifersüchtig, denn der verheiratete Mann hat scheinbar noch weitere Affären. Schließlich sieht die 21-jährige nur einen Weg, um die Beziehung zu beenden: Nach einer gemeinsam verbrachten Nacht erschießt sie ihren Liebhaber – als dieser morgens schlafend im Bett liegt. Dass der Fall bundesweit durch die Presse geht und von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt wird, dürfte vor allem an der ungewöhnlichen Tatwaffe liegen: eine Armbrust. Sachverständige stellen bei der Täterin eine Persönlichkeitsstörung fest. In der Hauptverhandlung verurteilt der Richter sie zu neun Jahren Haftstrafe – wegen Mordes bei eingeschränkter strafrechtlicher Verantwortlichkeit.  

Der Mannesmann-Prozess (2004-2006)

Beim wohl spektakulärsten Gerichtsverfahren der deutschen Wirtschaftsgeschichte wird eine „Übernahmeschlacht“ aufgearbeitet: Die Firma Mannesmann samt ihrer so erfolgreichen wie begehrten Mobilfunksparte D2 ist um die Jahrtausendwende von der Vodafone Group übernommen worden. Dabei sollen in engem zeitlichem Zusammenhang Sonderzahlungen und Prämien in Höhe von insgesamt 111 Millionen D-Mark geflossen sein. Auf der Anklagebank sitzen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite sowie hochrangige Vertreter von Gewerkschaften. Durch die Medien geht ein Foto, das die gut gelaunten und siegessicheren Angeklagten zeigt. Ganz ohne Strafe kommen die Wirtschaftsbosse aber nicht davon. Die Richter vernehmen 55 Zeugen, sogar per Videoschaltung nach Hongkong. Am Ende geht es „unentschieden“ aus: Das Verfahren wird eingestellt – gegen Geldauflagen in Millionenhöhe.

Der „Goldmacher“ aus Hilden (1930)

Der 32-jährige Hildener Heinz Kurschildgen behauptete, er habe eine Methode entwickelt, mit der man aus Blech oder Sand künstlich Gold herstellen könne. So gewann er Investoren, die ihm bis zu 100.000 Reichsmark zahlen. Natürlich fallen die Sachverständigengutachten zu seinen Ungunsten aus, und so wurde er in der Verhandlung des Amtsgerichts zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Auch nach seiner Entlassung beschäftigte Kurschildgen die Gerichte. Seine nächste Masche lautet: „Ich kann Benzin aus Wasser herstellen.“ Auch die Nationalsozialisten wie Heinrich Himmler lassen sich beeindrucken und bekunden Interesse. Erneut folgt auf den Betrug die Quittung: drei Jahre Zuchthaus wegen Betrugs. Doch damit nicht genug: In den 1950ern strebt der Goldmacher eine Wiederaufnahme seines Verfahrens an. Er will sich als „Verfolgter des Naziregimes“ anerkennen lassen. Und scheitert erneut an der Justiz. Der Fall schlägt auch international Wellen: Heute dokumentiert sogar eine englischsprachige Wikipedia-Seite das Treiben des „Goldmaker of Hilden“.

Der Vampir von Düsseldorf (1931)

Kein Verbrecher hat die Weimarer Republik so sehr in Aufruhr versetzt wie der 1883 geborene Peter Kürten. Seinen Spitznamen erhält er, nachdem er 1929 im Hofgarten einem Schwan den Kopf abgeschlagen und dessen Blut getrunken hat. Das gleiche versucht der „Vampir“ später bei mehreren seiner menschlichen Opfer. Die Tatwaffen: Hammer, Dolch und Schere. Die Polizei tappt im Dunkeln, immer wieder schafft es Kürten, sich einer Verhaftung zu entziehen. In der Bevölkerung entsteht eine Massenhysterie. Sogar der englische Krimi-Autor Edgar Wallace soll sich eingeschaltet und der Düsseldorfer Polizei seine Hilfe angeboten haben.1930 geht Kürten in der Rochuskirche in die Falle. Beim Prozess verurteilte das Gericht ihn wegen Mordes in neun Fällen sowie sieben Mordversuchen zum Tod. Ein Gnadengesuch wird abgelehnt, Kürten 1931 hingerichtet. Noch im gleichen Jahr lässt sich der Regisseur Fritz Lang durch den Fall zu seinem berühmten Film „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ inspirieren. Das ist der Anfang einer ganzen Reihe von Werken, die den Fall des „Vampirs von Düsseldorf“ künstlerisch verarbeiten. So bezieht sich zum Beispiel Stephen King in seinem Horror-Roman „Brennen muss Salem“ auf Kürten, ebenso wie der Singer-Songwriter Randy Newman in seinem Stück „Germany before the War“. Und die BBC bringt 2001 eine TV-Doku, die dem Fall des Serienmörders detailliert auf den Grund geht.

Der verschwundene Kö-Millionär (1994)

Im Jahr 1991 verschwindet Otto-Erich Simon millionenschwere Eigentümer zweier an der Königsallee gelegenen Grundstücke spurlos. Schließlich gerät der Bauunternehmer in Verdacht, der die Grundstücke zum Schnäppchenpreis gekauft hat, mit einer, wie sich herausstellt, gefälschten Unterschrift. Der Kö-Millionär aber bleibt verschwunden. Drei Jahre später kommt der Fall vor Gericht. 135 Verhandlungstage, jede Menge Zeugen. Die ungewöhnliche Verhandlung lockt Gerichtsreporter aus ganz Deutschland an die Mühlenstraße. Der Spiegel schreibt: „Es ist kein Krimi, sondern Wirklichkeit, ein Fall, der jede Erfindung übertrifft.“ Und anders als im Krimi gibt es hier eben keine befriedigende Auflösung: Der Bauunternehmer – inzwischen unter Depressionen leidend – schweigt, die Staatsanwaltschaft kann ihm nichts nachweisen, und muss den Mordprozess ohne Leiche abbrechen. Die Hauptverhandlung endet ohne Urteil. 1997 erklärt das Amtsgericht den Kö-Millionär amtlich für tot. Das Gerichtsverfahren gegen den Bauunternehmer wird 2002 wegen dessen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. Und die beiden Kö-Grundstücke erbt schließlich ein Neffe des Eigentümers.

Der Hells-Angels-Prozess (2002)

Nach 79 Verhandlungstagen und 68 Zeugen werden nach 20 Monaten zehn Mitglieder des Motorradclubs wegen schweren Raubes, räuberischer Erpressung, Nötigung, Bedrohung, Diebstahl und unerlaubten Waffenbesitzes zu insgesamt 22 Jahren Haft verurteilt werden. Die Stimmung ist angespannt: Unmittelbar nach der Urteilsverkündung rollen zwei Dutzend Harley-Davidson-Maschinen in den Innenhof des Landgerichts. Die Polizei beobachtet mit einer Hundertschaft die Solidaritäts- und Machtdemonstration der teils vermummten Kollegen der verurteilten Rocker.

Titelbild: Stadtarchiv, Fotograf: Hagemann, um 1930

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