„Ich wollte Punk-Rock ohne Musik.“

Interview mit dem Düsseldorfer Küchenchef Paul Meister

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„Ich wollte Punk-Rock ohne Musik.“

Interview mit dem Düsseldorfer Küchenchef Paul Meister

Was Tim Mälzer für Hamburg ist, ist Paul Meister für Düsseldorf. Jahrelang betrieb er Roberts Bistro im MedienHafen und etablierte einen Mix aus französischer Küche und kreativen Gästen, die es sogar akzeptierten, dass der Chef des Hauses keine Reservierungen entgegennahm. Wer ins Bistro wollte, musste sich draußen anstellen oder in der kleinen Bar nebenan warten. Corona hat Paul Meister wie viele andere Gastronomen hart getroffen. Er musste Roberts Bistro nach über 20 Jahren schließen – und hat ein neues Restaurant eröffnet: die Hafen-Meisterei. Wir haben mit ihm über die erfolgreichen Jahre gesprochen und über sein neues Konzept, das er zusammen mit seiner Frau Greta als Inhaberin umsetzt.
(Anm. d. Red.: Paul Meister hat sich im Sommer 2022 aus der Gastronomie zurückgezogen und die Hafen-Meisterei geschlossen.)

Paul Meister, wie verrückt muss man eigentlich sein, 2020 ein neues Restaurant aufzumachen?

Das höre ich aus meinem Umfeld gerade sehr häufig, Scheint was dran zu sein. Ich finde es einfach notwendig, nicht den Kopf in den Sand zu stecken und neue Wege zu gehen: für sich selbst, für die Mitarbeiter und auch für die Gäste. Wir wollen vorangehen und beweisen, dass man auch unter den aktuellen Umständen Dinge bewegen kann.

Wie würdest du das Jahr 2020 in einem einzigen Satz zusammenfassen?

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Dass 2020 ein besonderes Jahr wird, wusste ich bereits vorher. Ich musste  in eine Klinik. Damit war schon mal klar, dass das Jahr zumindest sehr anders startet. Ich bin dann genau am Tag des Lockdowns entlassen worden und konnte nur noch zuschließen. Das war mein erster Schritt zurück in den Alltag. Wir haben sofort Kurzarbeit für alle unsere Mitarbeiter angemeldet sowie sämtliche Hilfen beantragt.

Es war die Zeit, als alle Take-away-Angebote machten. Wie war das bei Euch? Und hat sich das gelohnt?

Ich habe innerhalb von zwei Tagen einen Lieferservice mit allem Drum und Dran aufgebaut: Website, Bezahlsystem, Fahrer etc. Das lief toll. Die Unterstützung von Partnern und Gästen war enorm. Leider ist so etwas doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es war nicht möglich, davon die laufenden Kosten zu decken.

Im Juli hast Du Roberts Bistro nach mehr als über 30 Jahren geschlossen. Wie schwer fiel Dir die Entscheidung?

Grausam, das ist so surreal. Das kann man den Menschen auch gar nicht vermitteln. Keiner glaubt dir, dass es keinen Ausweg mehr gibt… Die Resonanz war dann unfassbar. Man hatte das Gefühl, den Leuten sei ein liebgewonnener Mensch aus ihrer Mitte gerissen worden.

Wie viele Menschen gehörten dazu?

Wir waren 28 Leute, manche über 20 Jahre dabei. Das Ende kommen zu sehen, war schlimm. Ich wusste, was das für viele bedeuten würde. Ihnen zu sagen, dass wir schließen müssen, war der beschissenste Moment meines Lebens. Die meisten haben großartigerweise sehr schnell einen neuen Job gefunden. Zehn haben jetzt in der Hafen-Meisterei eine neue Aufgabe.

Roberts Bistro galt als Kult-Restaurant in Düsseldorf.

Das Bistro gab es 31 Jahre, davon habe ich es 24 Jahre betrieben. Damals existierte sowas noch nicht: gute, ehrliche, französische Bistro-Küche in ungezwungener Atmosphäre, keine Reservierungen, kein Personen-Kult, alle sind gleich vor der Theke und sitzen dicht an dicht.

In Roberts Bistro trafen sich auch immer viele Künstler*innen. Julia Stoschek hat es in unserem Podcast „Alle Rhein“ als ihr Düsseldorfer Lieblingsrestaurant bezeichnet. Wer hat sonst vorbeigeschaut?

Vorne weg Günther Uecker, von Anfang an. Andreas Gursky, Keith Haring, Norbert Tadeusz, Rosemarie Trockel, Thomas Ruff, Immendorff, Gabriele Henkel… Aber auch viele Leute aus der Musikszene oder aus Film und Theater.

Man trifft Dich regelmäßig bei Konzerten und bei Fortuna im Stadion. Was schätzt Du an Deiner Stadt?

Düsseldorf hat für mich die perfekte Größe. Innerhalb von zwanzig Minuten kannst du alles erreichen. Sie hat kulturell einiges zu bieten, man kann hervorragend essen gehen, es gibt das beste Bier der Welt und tolle Menschen, die offen und tolerant sind.

Du hast noch die Punk-Zeiten im Ratinger Hof miterlebt, die Bands wie die Toten Hosen maßgeblich beeinflussten. Was hat dich inspiriert, Koch zu werden?

Ja, ich war selbst Teil der Musikszene und habe in mehreren Bands gespielt. Ich habe aber gefühlt, dass ich das nicht beruflich machen möchte. Da habe ich mir überlegt, wo es außerhalb des Punk-Rocks sonst noch Chaos, Schweiß und totale Hingabe gibt. Tja, da war der Weg schnell klar!

Im Oktober hast Du die Hafen Meisterei aufgemacht – im alten Ladenlokal. Was ist anders als in Roberts Bistro, außer dass es jetzt Deinen Namen trägt?

Das Konzept ist modernisiert. Die Karte wechselt regelmäßig, ist saisonaler und legt noch mehr Wert auf Regionales und artegerechte Haltung. Dazu kommt das aufgearbeitete Mobiliar, das mehr Wärme ausstrahlt.

In Roberts Bistro konnte man nicht reservieren und alle saßen ganz nah beieinander. Wie läuft das in Zukunft in der Hafen-Meisterei?

Unter Corona-Bedingungen ist das Nah-Beieinander-Sitzen leider nicht machbar. Bei „Keine Reservierungen“ bleibt es aber!

An den Wänden hängen auch Bilder oder ein Plakat für die Thomas-Ruff-Ausstellung im K20.

Kunst schafft Atmosphäre! Und Kunst bedeutet mir persönlich viel. Deshalb freut es mich auch, so viele Künstler als Gäste begrüßen zu dürfen. Die Bilder sind fast ausnahmslos von Düsseldorfer Künstlern. Ich habe sie mit der Zeit zusammengetragen.

Hat schon mal jemand eine Rechnung mit einem Bild oder Foto bezahlt?

Ja, auch das gab es. Es gab aber auch Bilder für mich, um sich für schlechtes Benehmen zu entschuldigen und das Hausverbot aufzuheben. Hat nicht immer geklappt.

Wenn man das erste Mal bei Dir ist, was sollte man unbedingt bestellen?

Garnaalcroquettes, Auster, pochierte Eier in Rotweinsauce, Hechtklößchen, Steak frites, Coq au Riesling.

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